VIV-Interview mit Herrn Dr. Hubertus Bardt, Energieexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, zum Energiemarkt
Herr Dr. Bardt, wie hoch ist eigentlich der staatliche Anteil (Steuern/Abgaben) an den Stromkosten für die Verbraucher?
Wir liegen bei Privatkunden inzwischen bei rund 50 Prozent des Strompreises, die durch Stromsteuer, EEG-Umlage, Mehrwertsteuer und andere kleinere Umlagen bestimmt werden. Der eigentliche Börsenpreis hat mit dem, was Verbraucher in Haushalten und Unternehmen zahlen müssen, immer weniger zu tun.
Größter Kostentreiber bei Strom ist das EEG-Gesetz. Sie schlagen in einem neuen Gutachten im Grunde einen Neustart vor für Neuanlagen. Bezogen auf die alten Anlagen favorisieren Sie einen Altlastenfonds, der aus Steuermitteln finanziert werden soll. Was heißt das konkret und was bedeutet das in der Wirkung für den zukünftigen Strompreis?
Entscheidend ist, dass die Kosten der Förderung erneuerbarer Energien nicht weiter aus dem Ruder laufen. Und erst in einem zweiten Schritt sollte man sich über die Verteilung der Kosten Gedanken machen. Eine Steuerfinanzierung hätte verteilungspolitische Vorteile gegenüber dem EEG, vor allem würden aber die Haushälter im Bundestag streng auf die Ausgabenentwicklung achten. Immerhin wäre das EEG alleine der sechstgrößte Einzelplan, größer als die Etats von Wirtschafts- und Forschungsministerium zusammen. Mit einem Altlastenfonds könnte man die bestehenden Ansprüche aus dem EEG auf den Bund übertragen und hätte die Chance für einen Neuanfang in der Förderung. Klar ist aber: Das Geld muss bezahlt werden und darf nicht in dauerhaft höhere Schulden münden.
Die EEG-Problematik löst nicht alle Probleme? Was sind die anderen großen Probleme die bewältigt werden müssen?
Die Förderung der erneuerbaren Energien ist das eine, die Finanzierung fossiler Kraftwerke und der Ausbau der Leitungsnetze sind das andere. Während im Netzausbau vor allem Genehmigungen und Akzeptanz vor Ort zu den Kernproblemen zählen, stellt sich bei den fossilen Anlagen die Frage der langfristigen Finanzierbarkeit. Heute sind viele Kraftwerke nicht profitabel. Das liegt an den niedrigen Preisen am Strommarkt und für CO2-Zertifikate, aber auch an der zunehmenden Förderung erneuerbarer Energien. Für eine hohe Versorgungssicherheit brauchen wir aber auch funktionierende Geschäftsmodelle für steuerbare Kraftwerke.
Sie haben ein neues Strommarktmodell soeben der Öffentlichkeit präsentiert. Wie sieht das aus?
Wir wollen konsequent auf Wettbewerb setzen. Das gilt sowohl für die fossilen wie auch für die erneuerbaren Anlagen. Wir wollen die erneuerbaren Energien in den Markt integrieren und nicht neue marktferne Systeme zur Planung und Finanzierung von fossilen Anlagen schaffen.
Im Kern geht es darum, Versorgungssicherheit einen Preis zu geben. Das bieten nämlich die steuerbaren Kraftwerke. Und wenn die Kapazitäten zu knapp werden, muss dieser Preis steigen. Für die Verbraucher würde sich damit die Möglichkeit bieten, sich gegen Abschaltungen abzusichern. Für die Kraftwerksbetreiber entstünde eine zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit. Eine solche Lösung ließe sich schrittweise realisieren und würde den Wettbewerb der verschiedenen Technologien nutzen.
Auch die erneuerbaren Energien sollten schrittweise in diesen Markt intergiert werden. Dafür müssen wir aber weg von den fixen Einspeisevergütungen und hin zu einem prozentualen Aufschlag auf den Strompreis. Strom hat zu Spitzenzeiten einen anderen Wert als in den Stunden, in denen er im Überfluss vorhanden ist. Das muss auch für erneuerbaren Strom gelten. Die Höhe des Aufschlags kann durch eine Versteigerung ermittelt werden. Es gibt also viele Optionen für mehr Wettbewerb, die genutzt werden können.
Welche Perspektiven bietet die neue Bundesregierung?
Der Koalitionsvertrag ist sicher nicht der große Wurf, aber er hat Potenzial. Die Koalition will im Frühjahr einen Entwurf für die Reform des EEG vorlegen. Dabei darf es nicht nur um kleine Korrekturen gehen. Interessante Aspekte wie die Direktvermarktung und Versteigerungselement sind auch vorgesehen. Leider sollen diese erst rund um die nächste Bundestagswahl in Kraft treten. Dabei haben wir keine Zeit zu verlieren.
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