Interview mit Herrn Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU

In der Sozialpolitik muss man die Unterschiede zwischen CDU/CSU und SPD mit der Lupe suchen, oder?
Das könnte man durchaus meinen, wenn man sich das letzte Rentenpaket anschaut, das die Große Koalition geschnürt hat. Da wurde tief in die Taschen gegriffen, ohne Rücksicht auf künftige Generationen. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, dass die Union nie ein Freund der so genannten Rente mit 63 war.

Die Rente mit 63 war ein herber Rückschlag für alle vorangegangenen Versuche, unser Rentensystem an demografischen Erfordernissen auszurichten. Umso mehr freue ich mich, dass es uns als Union wenigstens gelungen ist, die Flexi-Rente durchzusetzen. Von ihr geht das wichtige Signal aus, dass jeder, der über das Renteneintrittsalter hinaus arbeiten möchte, erwünscht ist und auch mit einer steigenden Rente belohnt wird. Mein größter Wunsch wäre es, dass damit auch ein längst fälliger Mentalitätswandel eingeleitet wird.

In Sonntagsreden wird der Mittelstand gerne hofiert, in der praktischen Politik ignoriert. Richtig?
Diesen Eindruck habe ich auch. Wenn ich nur daran denke, was es für ein Kraftakt war, die maßlosen Bürokratiepflichten wieder abzubauen, die das Bundesarbeitsministerium mit der Mindestlohn-Verordnung einführen wollte, packt mich die Wut. Auch ständig neue Regelungsvorschläge, wie jetzt beispielsweise im Zusammenhang mit dem Entgeltgleichheitsgesetz, tragen nun wirklich nicht dazu bei, unseren mittelständischen Unternehmen den Rücken zu stärken. Natürlich muss die Politik Regeln aufstellen, aber wenn sie sich dabei im Klein-Klein verliert und immer mehr Bürokratie schafft, verliert sie selbst den Blick für das große Ganze – und der Mittelstand den nötigen Freiraum, um erfolgreich wirtschaften zu können.

Welche Erfolge können Sie sich in den letzten Jahren als MIT auf die Fahnen schreiben?
Da fällt mir als erstes erneut die Flexi-Rente ein. Das Konzept dazu haben wir in den Reihen der MIT entwickelt und anschließend in zwei Teilen ins parlamentarische Verfahren eingebracht. Den ersten Teilerfolg konnten wir bereits 2014 erzielen, als das Befristungsverbot aufgehoben wurde. Und mit dem rentenrechtlichen Teil, der regelt, ob jemand die Rente sofort oder später ausgezahlt haben möchte, haben wir vor wenigen Wochen auch den zweiten Schritt der Flexi-Rente getan.
Ein weiterer Erfolg für die MIT ist sicherlich der Abbau der kalten Progression. Wir hatten mit der MIT-Kampagne zur „Steuerbremse“ ordentlich Dampf gemacht und die Union auf Linie bringen können. Jedenfalls ist die Bundesregierung am Ende unserem Vorschlag gefolgt. Alle zwei Jahre wird nun ein Bericht über die Kalte Progression vorgelegt, den die Politik als Grundlage für eine Anpassung nutzen muss.

Deutschland war in den letzten Jahrzehnten bei der Integration von Migranten nicht besonders erfolgreich. Warum soll das jetzt anders werden bei den neuen Migranten? Anders gewendet: Was müssen wir anders machen, damit Integration gelingt?
Diese Frage habe ich mir auch gestellt, als wir jeden Tag mehr als 10.000 Flüchtlinge hier in Deutschland willkommen geheißen haben. Heute wissen wir mit Sicherheit, dass es sich hier nicht nur um Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention handelte, sondern auch um Wirtschaftsflüchtlinge. Und damit wäre ich schon beim ersten, meiner Meinung nach entscheidenden Punkt: Wir müssen endlich dazu übergehen, Migration zu steuern. Integration kann nur gelingen, wenn wir uns nicht selbst überfordern. Weder unseren Arbeitsmarkt, der in erster Linie qualifizierte Fachkräfte benötigt, noch unser Sozialsystem, das plötzlich Hunderttausende von Menschen aufnehmen muss, die niemals zuvor in irgendeiner Weise einen Beitrag für das Sozialsystem geleistet haben. An dieser Stelle ist Steuerung und auch Begrenzung unabdingbar. Was die Debatte um ein Einwanderungsrecht angeht, bin ich sehr aufgeschlossen. Wir haben zwar bereits Regelungen, um Fachkräfte aus Drittländern zu uns zu holen, aber ich höre immer wieder, wie kompliziert und undurchsichtig die Regelungen sind. Da lässt sich nachjustieren und das sollte man auch.

Wer hat eigentlich noch Angst vor Rot-Rot-Grün im Bund?
Eine rot-rot-grüne Regierung wäre verheerend für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Gerade der Mittelstand braucht Planungs- und Rechtssicherheit. Deshalb ist es Aufgabe der Union, die Menschen wieder mit einer klareren Sprache und einer stärkeren Unterscheidung von den anderen Parteien zurückzugewinnen. Spätestens zum Bundestagswahlkampf 2017 brauchen wir eine klare Erkennungsmelodie.

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