Interview mit Herrn Thomas Hissel, Erster Beigeordneter und Stadtkämmerer der Stadt Düren

Die Wirtschaftsförderung der Stadt hat sich mit deutlich mehr Mitarbeitern (jetzt 12) neu aufgestellt. Das macht Sinn, weil …?
Die Herausforderungen, vor denen Unternehmen auch in der Stadt Düren stehen, wachsen: Steigender Fachkräftemangel, globalisierter Wettbewerb und zunehmende Digitalisierung sind nur drei allgemeine Stichworte von vielen.

Hinzu kommen standortspezifische Fragestellungen, wie die drohende Knappheit an Gewerbeflächen, der Wettbewerb mit den Oberzentren Köln und Aachen und der kommende Strukturwandel in der Braunkohle- und Energiewirtschaft. Vor diesem Hintergrund liegt es im ureigenen Interesse der Stadt, den Unternehmen am Standort eine kompetente Unterstützung an die Seite zu stellen, die ihnen dabei hilft, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze zu sichern.
In der vorherigen Konstellation, in der die Wirtschaftsförderung gerade einmal vier Personen umfasste, war das nur sehr eingeschränkt möglich. Heute, mit 8,9 Vollzeitstellen verteilt auf 12 Mitarbeiter/-innen, ist die WIN.DN GmbH deutlich leistungsfähiger. Mit dem Blick auf den interkommunalen Vergleich aber muss man feststellen, die Personalausstattung erreicht auch heute lediglich den Durchschnittswert von einer Vollzeitstelle pro 10.000 Einwohner, ist also alles andere als überproportional.

Die Industrie ist für die Region wichtig, weil …?
Die Industrie ist nach wie vor der gesunde Ast, auf dem die Stadt Düren sitzt. 28 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in diesem Sektor und erwirtschaften über ein Drittel der gesamten Wertschöpfung. Damit das auch in Zukunft so bleiben kann, müssen wir permanent an unseren Standortfaktoren arbeiten. Zudem müssen wir dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger erfahren, was wir an unserer Industrie haben. Formate, wie die Lange Nacht der Industrie, die wir gerade zusammen mit zehn Dürener Unternehmen zum zweiten Mal durchgeführt haben, helfen uns dabei.

Was sind die Kernaufgaben der Wirtschaftsförderung in Düren?
Prinzipiell sind alle Anliegen, die Industrie, Gewerbe, Handwerk und Einzelhandel haben, potenzielle Aufgaben der Wirtschaftsförderung. Wir haben ein offenes Ohr für die Belange von Unternehmen und wollen Gründer auf ihrem Weg begleiten. Unsere Aufgabe ist es, die Wirtschaft am Standort Düren zu stärken. Die Kernaufgaben haben wir in vier Bereiche unterteilt: Gewerbeflächen und Ansiedlung, Bestandspflege und Einzelhandel, Gründung und Innovation, Tourismus und Standortmarketing.

Wie ist die Situation bei den Gewerbeflächen?
Düren ist nach wie vor ein attraktiver Standort, das zeigen uns die Zahlen: Neuansiedlungen und Erweiterungen haben in den letzten Jahren zur Vermarktung von durchschnittlich fünf bis sechs Hektar pro Jahr geführt, was in der Region Aachen ein Spitzenwert ist. Aktuell ist unser Angebot von ca. 35 Hektar, die uns kurzfristig zur Verfügung stehen, noch gut. Ohne Neuausweisung steuern wir jedoch auf einen vorhersehbaren Engpass in fünf bis sechs Jahren zu.
Damit das nicht passiert, erarbeiten wir derzeit eine vorausschauende Gewerbeflächenstrategie, die ganz bewusst über die kommunalen Verwaltungsgrenzen hinausblickt. Diese reicht von der erfolgreich erprobten, interkommunalen Neuausweisung in Kooperation mit Nachbarkommunen über den Flächentausch und Ankauf von industriellen Brachflächen bis hin zur Vermittlung privater Grundstücke und Gewerbeimmobilien in Kooperation mit allen Akteuren auf dem Gewerbeimmobilienmarkt. Hierdurch kann sowohl kurz-, als auch mittel- und langfristig die anhaltende Nachfrage nach günstigen, attraktiven Betriebsstandorten, insbesondere von regionalen kleinen und mittelständischen Unternehmen, befriedigt werden.

Wir haben mit der RWTH, der Fachhochschule Aachen und dem Forschungszentrum hervorragende Rahmenbedingungen für Technologietransfer. Woran hapert es?
Bereits heute gibt es in Teilen rege Kooperationen zwischen Unternehmen, den Hochschulen und Fachhochschulen, aber eben nur in Teilen und nicht an allen Stellen, wo dies sinnvoll und nötig wäre. Und an diesem Zustand will die WIN.DN ansetzen.
Viele Unternehmen sind so stark in ihrem Kerngeschäft involviert, dass die Zeit fehlt, sich intensiv mit Hochschulkooperationen auseinanderzusetzen und erstmal zu suchen, welches Institut bei welcher Fragestellung weiterhelfen kann. Deshalb wollen wir den Aufwand und auch die Hemmschwellen für die Dürener Unternehmen runterschrauben. Dazu werden wir zusammen mit einem Netzwerk aus kompetenten Partnern, wie der IHK und der AGIT (Aachener Gesellschaft für Innovation und Technologietransfer) Formate entwickeln, die in den Zeitplan von Unternehmern reinpassen und ohne großen Aufwand die Kooperationspotentiale mit den Forschungseinrichtungen der gesamten Region erkennbar machen. Unsere Ideen reichen da von gebündelten Beratungstagen zu den Themen Patente, Innovation, Finanzierung und Gründung vor Ort, über gezielte Infoveranstaltungen zu bestimmten Forschungsthemen bis hin zu Exkursionen zu den jeweiligen Forschungseinrichtungen.

Aus der Sicht des Wirtschaftsförderers: Die größten Probleme der Stadt sind?
Erstens die Sozialstruktur: Mit über 18 Prozent liegt der Anteil von Menschen, die von SGBII-Leistungen abhängig sind, in Düren bei 50 Prozent über dem Landesschnitt. Ähnlich hohe Quoten finden sich in NRW lediglich in Ruhrgebietsstädten wie Essen, Gelsenkirchen oder Duisburg. Im Vergleich mit diesen Städten muss man aber feststellen, dass dort die Strukturbrüche in der Vergangenheit liegen und die Sozialstruktur eine Folge dieser ist. In Düren ist die Sozialstruktur jedoch nicht die Folge eines Strukturbruches sondern die Ausgangssituation, womit wir zu zweitens kommen: Der größte Strukturwandel im Rheinischen Braunkohlerevier steht noch aus und wird mit dem prognostizierten Wegfall von rund 15.000 direkten Arbeitsplätzen mit dem Ende der Braunkohleverstromung die ohnehin kritische Situation noch einmal verschlechtern. Hinzu kommt dadurch dann auch die prekär werdende Situation für tausende Arbeitsplätze in mittelbar vom Braunkohletagebau abhängigen Unternehmen sowie der Strukturwandel in traditionellen Industriesektoren.
Und drittens fällt gerade im Vergleich mit Nachbarstädten auf, dass Düren in der Wahrnehmung oft schlechter wegkommt als Düren ist. Zur erfolgreichen Vermarktung des Standortes gehört es, den Standort mit all seinen Stärken darzustellen. Das wollen wir machen und setzen dabei auch auf die Wirtschaft am Standort.

Sehen Sie die Sicherung des Fachkräftebedarfs auch als Aufgabe für die Wirtschaftsförderung?
Als Wirtschaftsförderung sind wir kein klassischer Arbeitsmarktakteur, wie die Job-Com oder die Bundesagentur, die vermitteln und Einstellungen fördern. Da aber das Thema Fachkräftesicherung und –gewinnung für die Unternehmen in Düren stark an Bedeutung gewonnen hat, machen wir uns natürlich unsere Gedanken, ob und wie wir unterstützen können. Zum einen bauen wir in dem Zusammenhang die Kooperation mit den genannten Institutionen aus. Zum anderen wollen wir die Unternehmen gezielt dabei unterstützen, insbesondere Fachkräfte nach Düren zu holen und in Düren zu halten. Als Kommune und kommunale Wirtschaftsförderung werden wir uns dabei auf die indirekten Faktoren, wie die Informations- und Willkommensangebote konzentrieren.

Schauen wir fünf Jahre nach vorne. Welche Erfolge werden wir dann sehen?
In fünf Jahren sind wir hoffentlich den allermeisten Dürener Unternehmen als wertvoller Partner an ihrer Seite bekannt. Auch wird es uns dann hoffentlich gelungen sein, zusätzliche Gewerbeflächen zu gewinnen, deren Vermarktung den Standort Düren sichert. Zuletzt hoffen wir, in fünf Jahren als Stadt Düren Hochschulstandort zu sein und die Voraussetzungen für Unternehmensgründungen deutlich verbessert zu haben.

Ansprechpartner: Hans-Harald Sowka
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