Interview mit Herrn Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall in Düsseldorf

Die mächtigste Lobby-Gruppe in Deutschland ist die IG Metall. Richtig?
Wenn wir uns im Bereich der Superlativen bewegen, dann ist die IG Metall gemessen an ihren Mitgliederzahlen die größte Gewerkschaft unter dem Dachverband des DGB. Allerdings definieren wir uns nicht als „Lobby-Gruppe“, sondern als Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Gerade durch die Stärke unserer Mitglieder und Betriebsräte besteht ein großer politischer Einfluss.

Die IG Metall konnte Auswüchse bei Leiharbeit/Werkverträgen bei den Automobilfirmen nicht verhindern, weil …
… die IG Metall kein Gesetzgeber ist. Aber wir haben da, wo wir direkt gestalten können viel erreicht. Denken Sie an unsere Tarifverträge zur Leiharbeit oder zu Werkverträgen in der Stahlbranche. Auch, dass jetzt ein Gesetzentwurf gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen vorliegt, ist maßgeblich unser Verdienst und unserer Kampagnenarbeit zu verdanken. Auch wenn dieser Gesetzentwurf aus unserer Sicht noch verbesserungswürdig ist, konnten wir dank des Einsatzes unserer Mitglieder dennoch einen großen Erfolg in Sachen Leiharbeit und Werkverträgen erzielen.

25 % der Unternehmen mit 50 % der Beschäftigten sind in NRW noch tarifgebunden. Damit hat der Metalltarif seine Benchmark-Funktion verloren, oder?
Laut den Zahlen von Gesamtmetall sind lediglich 17 % der Mitgliedsbetriebe bei METALL NRW mit 39 % der Beschäftigten nicht tarifgebunden. Damit hat der Metalltarif immer noch Benchmark-Funktion. Aber selbstverständlich wollen wir mehr Tarifbindung. Aus zwei Gründen: Beschäftigte in nicht-tarifgebundenen Betrieben verdienen bei vergleichbarer Arbeit rund 25 % weniger. Das ist nicht zu akzeptieren. Auch hier gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Gerecht geht nur mit Tarifvertrag. Deshalb haben wir in die Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie verstärkt Belegschaften aus Betrieben ohne Tarifbindung einbezogen.
Aber Tarifflucht ist nicht nur gegenüber den Beschäftigten ungerecht, sie ist auch wirtschaftlich unvernünftig. Der Weg zum wirtschaftlichen Erfolg lautet: Sich mit innovativen Produkten um Kunden und Märkte bemühen. Und Innovationen brauchen Investitionen – auch und vor allem in die Belegschaft. Statt Lohndumping zu betreiben sollten sich diese Arbeitgeber dem Innovationswettbewerb stellen. Das garantiert nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.

Wenn 1/3 der Metallunternehmen in Deutschland kein Geld verdient (Verluste schreibt oder max. eine Nettoumsatzrendite von 2 % aufweist), ist das für die IG Metall …
… kein Grund nicht zu verhandeln, sondern sich über die genauen Hintergründe und Ursachen zu informieren. Die Frage ist doch viel eher: Was sind die Faktoren dafür? Ein Zeichen von schlechtem Management? Fehlentscheidungen in der Marktpositionierung? Konjunkturschwankungen? Oder gar mangelnde Wertschätzung der Arbeitgeber gegenüber der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern?

Die IG Metall weiß, dass die Arbeitgeberseite nicht arbeitskampffähig ist. Warum sind trotzdem mehr als Nadelstiche geboten? – Nur, um Mitglieder zu werben?
Mir persönlich ist erstens nicht bekannt, dass der Arbeitgeberseite keine Arbeitskampfmittel zu Verfügung stehen und zweitens, dass nur während eines Kampfes Mitglieder geworben werden. Die Erschließung neuer Mitglieder gehört zu unserem Tagesgeschäft.

Bonus-Zahlungen nur an Mitglieder sind sinnvoll, weil …
… die Gewerkschaftsmitglieder einen Solidarbeitrag leisten, von dem zumeist alle Beschäftigten eines Betriebes profitieren. Diese Menschen sollten dafür also auch entsprechend belohnt werden. Weiterhin ist nicht zu vergessen, dass Tarife kein Zufallsprodukt sind, sondern das Ergebnis von aktiver Gewerkschaftsarbeit. Zudem gibt es auch Unternehmen, die durch ihre Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband an den jeweiligen Tarifvertrag gebunden sind und dennoch eine Abweichung fordern. Ist es nicht gerechtfertigt, diese „Abweichung für Mitglieder“ auch auf Seiten der Gewerkschaften zu fordern?

Metall- und Chemietarife liegen 20 % bis 30 % oberhalb anderer Industrietarife, von Dienstleistungstarifen ganz zu schweigen. Ist das gerechtfertigt?
Zum einen sind Tarife ein messbarer Faktor für Mitgliederstärke und Arbeitskampffähigkeit. Zum anderen muss man den Gesamtkontext betrachten. Wenn man dies nicht tut handelt es sich dabei ganz klar um den sprichwörtlichen Vergleich von „Äpfel und Birnen“. Wie soll beispielsweise die Stadt Düsseldorf eine vergleichbare Nettoumsatzrendite wie ein Industrieunternehmen erwirtschaften?

Die Tarifpolitik der IG Metall passt für NRW, obwohl 70 % der Unternehmer nicht mehr als 100 Mitarbeiter haben?
Zusammen mit unserem Sozialpartner METALL NRW machen wir eine Tarifpolitik, die zu den KMU-Strukturen in NRW passt. Ich denke, das haben wir gerade mal wieder in der letzten Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie bewiesen.

Ansprechpartner: Hans-Harald Sowka
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