Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Energieversorgung der Industrie
Hans-Helmuth Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter der CWS Lackfabrik GmbH und Vorsitzender der Vereinigten Industrieverbände von Düren, Jülich, Euskirchen & Umgebung e.V. (VIV), bringt es auf den Punkt. Die ohnehin schon äußerst angespannte Lage auf dem Energiemarkt hat sich mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine noch einmal massiv verschärft. Die Herausforderungen für Unternehmen sind immens. Mit 140 Dollar pro Barrel liegt der Ölpreis derzeit nur knapp unter dem Allzeithoch. Erdgas war Anfang März so teuer wie nie. An der EEX (European Energy Exchange), einer öffentlich-rechtlichen Energiebörse, lag der Großhandelspreis bei rund 17 Euro pro Megawattstunde. Aktuell beträgt er 78 Euro, als mehr als das Vierfache. Hinzu kommen mangelnde Planungssicherheit und Sorge vor Versorgungsknappheit.
„Wir gehen davon aus“, sagt Heinrich Klocke, Geschäftsführer der Stadtwerke Düren, „dass derzeit keine Versorgungsengpässe drohen.“ Die Erdgasspeicher seien zum Ende der aktuellen Heizperiode zu rund 30 Prozent gefüllt und sollen bis zum Beginn des Winters nach entsprechenden Ankündigungen aus Berlin und Brüssel entsprechend gefüllt sein. Klocke: „Die entscheidende Frage ist, ob uns im Herbst russisches Gas noch umfassend, teilweise oder gar nicht zur Verfügung steht.“
Gerade auch die sehr energieintensiven Unternehmen im VIV-Verbandsgebiet, wie beispielsweise die Papierindustrie, leiden extrem unter den hohen Energiekosten. Schon heute machen die in der Papierindustrie mehr als 20 Prozent der Gesamtkosten aus – und zwar ohne, dass die steigenden Kraftstoffpreise berücksichtig sind. Ein großes Papierunternehmen aus der Region spricht sogar von einer Verfünffachung der Kosten aufgrund der steigenden Gas- und Strompreise pro Mitarbeiter im Vergleich zu 2021.
„Besonders dramatisch“, sagt Holger Autenrieb, Geschäftsführer der Niederauer Mühle, „ist die Situation für Unternehmen, die zu 100 Prozent vom Spotmarkt abhängig sind.“ Als Spotmarkt bezeichnet man den ökonomischen Ort, an dem Angebot und Nachfrage von Kassageschäften aufeinandertreffen. Autenrieb: „Diese Unternehmen können bei der aktuell so kurzfristigen Entwicklung kaum reagieren und die Kostensteigerungen nicht an die Kunden weitergeben.“ Andere Kostensenkungen, um die Energiekostensteigerungen zu kompensieren, ergänzt Autenrieb, seien praktisch unmöglich. „Warum? Weil alle anderen Kosten, beispielsweise für Rohstoffe, Chemikalien, Instandsetzung und Ähnliches ebenfalls stark ansteigen.“
Ähnlich sieht das auch Dr. Jürgen Liermann, Geschäftsführer von Neapco. „Die aktuelle Entwicklung der Energiepreise ist dramatisch und existenzbedrohend. Die Preise liegen um den Faktor drei höher.“
Mit großer Sorge beobachten die Unternehmer, Forderungen aus der CDU-Bundestagsfraktion, die Energie-Importe aus Russland komplett zu stoppen. „Wir setzen Erdgas als Prozessgas in unserer Härterei und zum Heizen ein“, sagt Liermann und wird sehr deutlich: „Wenn es keine Lieferalternative gibt, ist eine Fortsetzung nicht mehr möglich. Abgesehen davon ist natürlich mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen.“ Holger Autenrieb ergänzt: „Die sprunghaft ansteigende Energiepreisentwicklung würde vermutlich noch extremer und wäre dann für viele Unternehmen nicht mehr tragbar.“ Die Forderungen aus der CDU, so Schmidt, seien nicht zu Ende gedacht: „Die Energiepreise, die wir dann haben werden, wird niemand mehr bezahlen können.“
Klar ist, dass die Politik möglichst schnell handeln muss. „Deutschland muss seine starke Abhängigkeit von russischen Energieimporten zügig verringern, um die Versorgungssicherheit, eine wettbewerbsfähige Industrie und bezahlbare Energiepreise zu gewährleisten“, sagt Heinrich Klocke. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien müsse forciert werden – und zwar inklusive der dazugehörenden Netzinfrastruktur. „Außerdem müssen der Anteil von Biogas und das Hochlaufen der Wasserstoffwirtschaft gesteigert werden.“
Bis diese langfristig wichtigen Maßnahmen greifen, fordern die Unternehmer eine Senkung von Steuern und Abgaben auf Energieträger und eine Regulierung der Preisobergrenzen. Holger Autenrieb: „Die deutsche Industrie steht im internationalen Wettbewerb und verliert hier gerade massiv an Stellung.“ Der gleichzeitige Ausstieg aus Atomkraft und Kohle plus die aktuelle Krisensituation könne die deutsche Wirtschaft nicht ohne Schäden überstehen. Autenrieb: „Wenn Deutschland an diesem Kurs festhält, wird dies in den nächsten Jahren viele Unternehmen an ihre Grenzen bringen.“
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