Tarifliche Übernahmeverpflichtung für Azubis in der Metallindustrie?

Tarifliche Übernahmeverpflichtung für Azubis in der Metallindustrie?

12-01Sowka Tarifliche bernahmeverpflichtungDie IG Metall fordert bundesweit in der anstehenden Tarifrunde, dass die Unternehmen ihre Azubis, die sie ausgebildet haben, anschließend in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernehmen. Bisher gibt es „lediglich“ eine befristete Übernahmeverpflichtung für 12 Monate. Wir meinen: Dem Ausbildungsmarkt würde damit ein Bärendienst erwiesen. Das wäre das Ende der Ausbildung über Bedarf in den Unternehmen und würde zugleich die Chancen der schwächeren Schulabgänger schmälern, einen Ausbildungsplatz zu erhalten.

Unser Argumentationspapier (in Fragen und Antworten):

1. Wie sind die Zukunftsperspektiven in Deutschland für junge Leute?

Die Zukunftsperspektiven der jungen Menschen in Deutschland sind hervorragend. Demografiegetrieben werden die Unternehmen in den nächsten Jahren alles tun, um qualifizierte Azubis und Mitarbeiter zu gewinnen. Wir haben in Deutschland im Übrigen die geringste Jugendarbeitslosigkeit verglichen mit allen vergleichbaren Ländern.

2. Werden dabei auch schwächere Schulabgänger eine Chance haben?

Grundsätzlich ja: Wir können und wollen keinen verlieren. Die Unternehmen werden in einigen Jahren verstärkt auch junge Leute in Ausbildung übernehmen (müssen), die sie heute definitiv noch nicht ausbilden. Es wird uns gar nichts anderes übrig bleiben.

3. Wie hat sich der Ausbildungsmarkt in den letzten Jahren entwickelt?

Außerordentlich positiv. Das gilt für das Bundesgebiet insgesamt, aber auch für die Region. Die IHK Aachen hat in 2011 4.700 Ausbildungsverhältnisse neu eingetragen. Das sind 6,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Übrigen: Fast alle Betriebe der M+E Industrie in NRW mit mehr als 100 Beschäftigten bilden aus.

4. Was kostet die Unternehmen eigentlich ein Azubi während einer dreijährigen Ausbildung?

In der Metallindustrie in den drei Jahren insgesamt 60.000 Euro (45.000 Euro Personalkosten für den Azubi, 28.000 Euro anteilig für den Ausbilder, 8.000 Euro sonstige Kosten, abzüglich 21.000 Euro Ertrag).

5. Die IG Metall fordert in der anstehenden Tarifrunde die unbefristete Übernahme nach Ende der Ausbildung. Wie hoch ist eigentlich derzeit in der Metallindustrie die Übernahmequote (in unbefristete Beschäftigung)?

75 Prozent der ausgebildeten Jugendlichen in der Metallindustrie NRW werden unbefristet übernommen.

6. Die Übernahmeverpflichtung macht die Metallindustrie attraktiver für junge Leute – sagt die IG Metall. Das hilft doch den Unternehmen zukünftig bei der Fachkräftesicherung. Herr Sowka, was sagen Sie dazu?

Die Unternehmen suchen motivierte, engagierte Mitarbeiter. Und unsere Unternehmen müssen „nicht von der IG Metall zum Jagen getragen werden“. Sie wissen, dass sie im Wettbewerb mit anderen Branchen gute Azubis und Fachkräfte brauchen. Und sie handeln auch danach. Die Übernahme nach Ende der Ausbildung ist die Regel, nicht die Ausnahme.
Aber die Unternehmen wollen auch selbst entscheiden, wen sie am Ende der Ausbildung einstellen. Sie empfinden eine Übernahmeverpflichtung als gravierenden Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit. Viele Unternehmen bilden heute über Bedarf aus. Das werden sie im Falle einer Übernahmeverpflichtung vielfach nicht mehr tun. Im Übrigen: Die Unternehmen sind ja nicht gehindert, freiwillig eine Übernahme zuzusagen.

7. Warum passen tarifliche Übernahmeverpflichtung und Ausbildung über Bedarf nicht zusammen?

Viele Unternehmen haben aus gesamtgesellschaftlicher Verantwortung heraus in der Vergangenheit über Bedarf ausgebildet (45 Prozent der M+E Betriebe in NRW bilden über Bedarf aus; im Durchschnitt wird ein Drittel mehr an Azubis als eigentlich benötigt ausgebildet). Wenn sie alle Ausgebildeten übernehmen müssten, wäre das zwangsläufig das Aus für die Ausbildung über Bedarf. Und wenn gar eine unbefristete Übernahmeverpflichtung auch für andere großen Branchen Schule machen würde, dann müsste der Staat Milliarden in die Hand nehmen für überbetriebliche Ausbildungsstätten. Das, was die IG Metall will, würde dann flächendeckend zu einem Desaster auf dem Ausbildungsmarkt führen.

8. Nun sagt aber die IG Metall: Wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich einig sind, dass über Bedarf ausgebildet wird, dann kann die Übernahmeverpflichtung entfallen. Wo also ist das Problem?

Das Problem ist: Der Arbeitgeber muss bereits bei seiner Entscheidung über die Einstellung eines Azubis definitiv wissen, ob eine Übernahmeverpflichtung besteht. Gerade diese Rechtssicherheit aber will ihm die IG Metall nicht geben.

9. Die Gesellschaft fordert von den Unternehmen, sich auch um die Schwächeren zu kümmern, sie auszubilden. Wie passt das mit einer Übernahmeverpflichtung zusammen?

Überhaupt nicht. Da würde von den Unternehmen Unzumutbares erwartet. Sie sollen ja quasi dem Schulabgänger, von dem sie eigentlich nicht wirklich überzeugt sind, eine Arbeitsplatzgarantie geben. So ein Modell kann nicht funktionieren. Die Schwächeren bleiben verstärkt auf der Strecke. So groß kann die Not der Unternehmen gar nicht werden, dass sie so ein Risiko eingehen.

10. Warum erhebt die IG Metall trotz der absehbaren negativen Folgen für die Ausbildung die Forderung?

Allein aus organisatorischen Gründen, will heißen, um Mitglieder zu werben. Anders ist das nicht zu erklären.

Ansprechpartner: Hans-Harald Sowka
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