VIV-Interview mit Herrn Stadtkämmerer Harald Sievers, Erster Beigeordneter der Stadt Düren

Herr Sievers, Düren meldet erstmals seit mehr als 20 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt. Wie war dieser substanzielle finanzpolitische Erfolg möglich?
Wir freuen uns in der Tat sehr, dass sich die Stadt durch einen jahrelangen Sanierungsprozess inzwischen aus dem Nothaushaltsrecht befreit hat und seit Anfang dieses Jahres – ohne die Inanspruchnahme irgendeiner besonderen Landeshilfe – zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren mit einem (echt) ausgeglichenen Haushalt wieder nachhaltig wirtschaftet. Das schaffen unter den mittleren und größeren Städten in NRW sonst nur noch Düsseldorf und Neuss.

Diesen Erfolg haben wir in mehreren Etappen erreicht:
Nach einer ganzen Reihe von Konsolidierungsrunden „klassischer Art“ im vorletzten und der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts führte die im Jahr 2008 entwickelte, stringent auf das Ziel einer Beförderung finanzpolitisch „guter“ Haushaltsbeschlüsse des Rates ausgerichtete, neue Sanierungsstrategie bereits 2009 mit der Verabschiedung eines Sanierungskonzeptes – das erstmalig für die Aufsichtsbehörden genehmigungsfähig war – zu einem beachtlichen Zwischenerfolg.

Im Mittelpunkt der neuen Finanzstrategie stand dabei nicht die Entwicklung weiterer einzelner Konsolidierungsmaßnahmen, sondern – ausgehend von der Überzeugung, dass Haushaltskonsolidierung in der Praxis vor allem ein psychologisch-politischer Prozess ist – zunächst vor allem die Frage, wie ein finanzpolitischer Bewusstseinswandel in Rat und Verwaltung befördert werden und wie eine kluge Gestaltung des Haushaltsverfahrens zu einem guten Beratungsergebnis beitragen kann.

Entsprechend ist das erste Kernelement dieses bis heute praktizierten „Dürener Ansatzes“ die Stärkung der finanzpolitischen Verantwortungskultur in Politik und Verwaltung. Wichtig hierfür waren die bessere Institutionalisierung der Finanzpolitik in der Ratsarbeit und der Übergang zu einer organisationsbezogenen Haushaltsstruktur mit Dezernats- und Ämterbudgets sowie klaren personenbezogenen Budgetverantwortlichkeiten.

Als zweites Kernelement haben wir die Finanzpolitik insgesamt deutlich strategischer ausgerichtet. So wird der Haushalt jetzt auf Grundlage politisch beschlossener Eckpunkte aufgestellt mit der Folge, dass bei der Budgetbildung von Anfang an auch die aktuellen finanziellen Möglichkeiten der Stadt mitberücksichtigt werden. Gleichzeitig sind die Haushaltsberatungen deutlich intensiver als früher; die Budgets stehen dabei im Mittelpunkt. Doch auch mit all dem hätten wir nichts Entscheidendes erreicht, wenn nicht noch etwas hinzugekommen wäre: Der Verwaltungschef – egal ob Bürgermeister oder Landrat – muss vorne, an der Spitze der Bewegung stehen.

Konkret ist das Ziel positiver Jahresergebnisse auch in Düren dann natürlich erst durch ganz spezifische weitere Beschlüsse des Rates zur Neuausrichtung der Stadtverwaltung und des öffentlichen Leistungsangebots – ohne dass hierbei wichtige Strukturen des Gemeinwesens zerschlagen worden wären – gelungen. Allein die zwei letzten großen Sanierungsprojekte mit über 150 Einzelmaßnahmen haben dabei zu strukturellen Haushaltsverbesserungen von 13 Prozent des Gesamtaufwandes geführt.

Wie hoch ist eigentlich der Gesamthaushalt und welches sind die größten Ausgabenfelder?
Das Haushaltsvolumen liegt bei 215,5 Millionen Euro. Die größten Kostenblöcke sind die Kreisumlage (65 Mio. Euro), der Personalaufwand (48 Mio. Euro), die Jugendpolitik (über 28 Mio. Euro) und die laufenden Kosten für unser umfängliches Gebäudeportfolio (14 Mio. Euro).

Und was sind die größten Finanzierungsquellen?
An erster Stelle stehen die Schlüsselzuweisungen des Landes (56 Mio. Euro), dann folgen die Gewerbesteuer (42 Mio. Euro) und der kommunale Einkommensteueranteil (28 Mio. Euro).

Welche Maßnahmen haben die größten Kostenersparnisse gebracht? Und wie hat die Stadt in den letzten Jahren die Einnahmesituation verbessern können?
Der Anteil von Aufwandreduzierungen und Ertragsteigerungen an den Haushaltsverbesserungen war in etwa gleich groß.

Ein wichtiger Punkt auf der Aufwandseite war ein Bruch der Dynamik bei den über Jahre stetig steigenden Jugendhilfekosten. Auch wenn es paradox klingt: Diese Trendwende haben wir im Wesentlichen über einen Personalaufbau geschafft. Hintergrund ist, dass die Kolleginnen und Kollegen in diesem Bereich des Jugendamts oft unter einem immensen Druck arbeiten. Die Medien haben in den letzten Jahren immer wieder prominent über Beispiele berichtet, dass Kinder von den Erziehungsberechtigten misshandelt wurden, obwohl Jugendamtsmitarbeiter involviert waren. Solche Fälle veranschaulichen die immense persönliche Verantwortung die ein Sozialarbeiter trägt. Ist er zudem durch zu viele Fälle überlastet, wäre es sehr verständlich, dass er ein Kind im Zweifelfall ins Heim einweisen lassen würde: Damit sind Risiken für Leib und Leben eines Kindes sicher ausgeschlossen. Gleichzeitig kostet ein Heimplatz die Stadt aber rund 50.000 Euro pro Jahr. Hilft ein zusätzlich eingestellter Mitarbeiter, nur drei Heimunterbringungen zu vermeiden, hat sich die Einstellung auch finanziell schon amortisiert. Verbunden mit einer Verstärkung auch der Verwaltungskapazitäten im Jugendamt, um so die Zuständigkeit der Stadt Düren im Einzelfall stärker zu hinterfragen, konnte dadurch die Fallzahlenentwicklung signifikant gedämpft werden.

Auf der Ertragsseite haben wir zum Beispiel die Grund- und Vergnügungsteuer angehoben; die Gewerbesteuer – bei der wir heute in der Region als Wirtschaftsstandort besser denn je dastehen – aber bewusst unverändert gelassen. Außerdem haben wir uns um mehr Kostenbewusstsein bei unseren Tochterunternehmen und mehr steuernden Einfluss auf diese (z. B. über Gewinnausschüttungsvorgaben) bemüht. Auch hier geht es um einen Prozess des Bewusstseinswandels. Im Gegensatz zur Privatwirtschaft verstehen kommunale Unternehmen häufig nicht, warum sie ihrem Eigenkapitalgeber eine Verzinsung bieten sollten. Einige unserer Unternehmen sind aber wirtschaftlich tätig – in Geschäftsfeldern, in denen auch die Privatwirtschaft unterwegs ist. Als Kämmerer erwarte ich, dass die Geschäftsführungen diese Unternehmen strategisch so aufstellen, dass sie eine moderate Eigenkapitalverzinsung für den „Kapitalgeber Stadthaushalt“ abwerfen. Wo dies nicht von alleine geschieht ist die Politik, die in den Aufsichtsgremien sitzt, gefragt. Mich wundert, dass sich politische Konsolidierungsdiskussionen immer noch oft allein auf den Kernhaushalt fokussieren und von den Geschäftsführungen unserer Tochterunternehmen, anders als von der Verwaltung kaum ganzheitliche – vielleicht auch durch von den Aufsichtsgremien mit ausgesuchte Unternehmensberatungen begleitete – strategische Ergebnisverbesserungsprojekte eingefordert werden. Es gibt aber auch positive Beispiele: Ich bin sehr froh, dass wir den Vorstand unserer Sparkasse dazu bringen konnten, uns jetzt immerhin knappe 2,4 Millionen Euro pro Jahr als Haushaltserträge zukommen zu lassen.

Was sind die größten Risiken für den Haushalt in den nächsten Jahren?
Ich drücke uns die Daumen, dass die Kreditzinsen noch längere Zeit auf dem heutigen Niveau bleiben. Außerdem hoffe ich, dass der eingeleitete Haushaltssanierungsprozess beim Kreis Düren nach der Kommunalwahl weitergeht und substantielle Erfolge bringen wird.

Wie hoch sind die Gesamtschulden der Stadt und was zahlen Sie für die Schuldenfinanzierung?
Unsere Schlussbilanz 2013 weist Schulden von 154,3 Millionen Euro aus. Für 2014 rechnen wir mit einem Zinsaufwand von 3,2 Millionen Euro.

Die Stadt hat rund 1.260 Mitarbeiter. Ist hier zukünftig mit Einsparungen zu rechnen?
Wir gehen zurückhaltend mit der Ausweisung zusätzlicher Stellen um und versuchen, sowohl finanz- als auch demografiepolitisch kontraproduktive alte Zöpfe – wie etwa die Altersteilzeit – abzuschneiden, verfolgen derzeit aber kein programmatisches Gesamtkonzept für eine aktive Personalaufwandssenkung.

Ich glaube, niemand im Rathaus wird bestreiten, dass es hier und da noch Möglichkeiten für Standardabsenkungen bei der Qualität der Wahrnehmung einzelner Aufgaben gibt, nach der Devise „Was kostet viel Zeit und bringt wenig?“. Wobei vieles hiervon nur umsetzbar ist, wenn der Rat mitzieht. Insgesamt haben wir aber eher damit zu kämpfen, mit den vorhandenen Kolleginnen und Kollegen immer mehr Aufgaben bewältigen zu müssen, als dass wir uns über Einzelfälle hinaus mit Nettostellenabbaufragen beschäftigen könnten.

Ihre Prognose für 2020?
Wie es Düren in sechs Jahren finanziell geht, hängt ganz entscheidend davon ab, wie der Bund – und vor allem das primär für die Kommunen verantwortliche Land – in den kommenden Jahren mit uns umgehen. Wenn wir – wie in der Vergangenheit allzu oft – weiterhin zusätzliche Aufgaben übertragen bekommen, ohne hierfür einen vollen Mehraufwandsausgleich zu erhalten, oder im Bereich der Sozial- und Jugendpolitik den kommunalen Aufwand begrenzende Gesetzesänderungen unterbleiben, werden wir kaum um kommunale Steuererhöhungen (die niemand im Rathaus will) herumkommen, um unsere Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger zu finanzieren. Das gleiche gilt, wenn die Zahlungsverpflichtungen an den Kreis Düren weiter steigen.

Ansonsten hoffe ich vor allem, dass es uns nach der jetzt erreichten Wende beim Eigenkapitalverzehr als nächstem Schritt gelingt, bis 2020 auch bei der Entwicklung unserer Schulden einen substanziellen Richtungswechsel zu erreichen. Dazu wird es unabdingbar sein, unsere Investitionspolitik noch mehr auf das wirklich Prioritäre zu konzentrieren.

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