Was Deutschland jetzt braucht

Deutschland ist gut unterwegs: Das Wirtschaftswachstum ist eingebremst, aber keine Rezession in Sicht. Die Arbeitslosenzahlen sind weiterhin erfreulich, die Steuern sprudeln. Also alles gut?
Beileibe nicht.

Die sozialpolitische Agenda der Regierung (Mütterrente, Rente mit 63, Mindestlohn) wird uns noch teuer zu stehen kommen. Die Fokussierung auf Verteilungsgerechtigkeit war und ist die falsche Prioritätensetzung. Es zeigt sich, dass für die marode Verkehrsinfrastruktur kein Geld da ist; private Vorfinanzierung soll es richten. Und erstaunt stellt Deutschland fest, dass die Bundeswehr kaum noch einsatzfähig ist. Ob – und das ist alles entscheidend – die Energiewende zu vertretbaren Kosten für die Unternehmen gelingt, ist völlig offen. Die Vorstellung, dass eines Tages eine rot-rot-grüne Bundesregierung das Abschalten von Kernkraftwerken verbietet, um die Stromerzeugung sicherzustellen, keine Fata Morgana mehr.

In der Familienpolitik (die uns 200 Milliarden Euro per anno kostet!) wird nach langen Jahren endlich ein Gutachten vorgelegt, das die ca. 200 Maßnahmen analysiert; doch nichts passiert. Weiterhin wird zu wenig in Einrichtungen investiert.

Die Überregulierung des Arbeitsmarktes setzt sich mit hohem Tempo fort. Wer zählt noch die Sonderkündigungsschutzbestimmungen in Gesetzen und Tarifverträgen, wer überblickt noch die verschiedenartigen Teilzeitansprüche.
Wir sind wahrlich kein gutes Beispiel für Europa: Wir geben das Geld für falsche Dinge aus, wir verkrusten den Arbeitsmarkt. Und: Die Politik überschätzt die Stärke der deutschen Unternehmen. Nach meiner Erfahrung hat jedes fünfte Unternehmen zu kämpfen, muss Weihnachts- oder Urlaubsgeld streichen, die Arbeitszeit ohne Entgeltausgleich verlängern. Dies sind beileibe nicht immer dieselben Unternehmen. Das Herzstück der deutschen Wirtschaft, die Industrie, lebt zu 20 % ständig an der Überforderungsgrenze.

Wie sollte die Agenda der Bundesregierung aussehen?

Dass Schneisen in das Dickicht des Arbeitsrechtes geschlagen werden, diesen Glauben habe ich seit langem verloren. Aber: Wer den Werkvertrag antastet und damit die Axt an die Arbeitsteilung legt, ist nicht mehr ganz bei Trost. Wenn VW den Golf zu 100 % selbst bauen würde, würde er 50.000 Euro kosten. Anders gewendet: VW würde es nicht mehr geben. Oder die so hoch bezahlten Stammarbeitnehmer müssten massive Abstriche beim Entgelt hinnehmen. Wer immer mehr befristete Teilzeitansprüche generiert bzw. einen generellen Anspruch auf befristete Teilzeit befürwortet, muss im Gegenzug zwingend die Flexibilisierungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber erweitern (durch Tarifvertrag).

Die EU muss die Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA unterzeichnen. Die Strukturen der Energiewende müssen zügig vorangetrieben werden im Sinne eines europaweiten Energiemarktes mit vertretbaren Kosten für die deutschen Unternehmen. In der Forschungsförderung muss neben die Projektförderung die steuerliche Einzelförderung der Unternehmen gestellt werden. Die digitale Agenda muss europäisch abgearbeitet werden.
Der Gesetzgeber muss die Gebote von Transparenz und Rechtssicherheit endlich ernstnehmen. Wer z. B. bei jedem Gesetzentwurf lesen darf, die Bürokratiekosten für die Unternehmen seien gleich Null, braucht den Blutdrucksenker.

Kurzum: Erkennbar stößt die Wohlfühlpolitik der Bundesregierung an ihre Grenzen. Glücklicherweise bleibt Deutschland erfahrungsgemäß in schwieriger Situation in der Lage, mit vereinten Kräften gegenzusteuern. Doch: Pathologisches Lernen wie nach der Wiedervereinigung sollten wir uns diesmal ersparen.

Ansprechpartner: Hans-Harald Sowka
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