VIV-Interview mit Herrn Wolfgang Spelthahn, Landrat des Kreises Düren
Wenn man die Entwicklung der letzten 10 Jahre betrachtet, wo hat sich der Kreis besonders positiv entwickelt?
Der Kreis Düren hat sich touristisch enorm weiterentwickelt. Die Ausweisung des Nationalparks Eifel Anfang 2004 war natürlich ein Glücksfall. Bis heute ist er landesweit das einzige Schutzgebiet dieser höchsten Güteklasse. Diesen Steilpass haben wir immer wieder genutzt, um den Kreis Düren touristisch aufzuwerten.
Neben den Nationalparktoren und -infopunkten sind die neue Jugendherberge und das touristische Dienstleistungszentrum in Nideggen, die Internationale Kunstakademie Heimbach, das Freizeitbad monte mare in Kreuzau, das komplett überarbeitete Wanderwegenetz und das kreisweite Knotenpunktsystem für Radfahrer als Beispiele für die Impulse zu nennen, die der Kreis Düren gesetzt hat. Auch private Kapitalgeber haben die langfristigen Chancen erkannt. So ist in Heimbach der neue Seehof gebaut worden. Und mit dem Resort Eifeler Tor ist gleich nebenan eines der größten touristischen Infrastrukturprojekte Deutschlands umgesetzt worden. Damit nicht genug: Der Tourismus ist längst nicht mehr nur auf die Eifelregion beschränkt. Der einzigartige Indemann und das Jugendgästehaus am Brückenkopf-Park Jülich zeigen, dass der ganze Kreis für Einheimische und Gäste attraktiv ist.
Darüber hinaus ist dem Kreis Düren gemeinsam mit der Exzellenzuniversität RWTH Aachen der Einstieg in die Nutzung der Zechenbrache Emil Mayrisch gelungen, wo nun der Campus Aldenhoven entsteht. Unser neues Autotestzentrum stellt allen Firmen aus der Automobil- und deren Zulieferbranche ein Testumfeld zur Verfügung, das – Stichwort europäisches Satellitensystem Galileo – weltweit einmalig ist. Nur hier können innovative Unternehmen schon heute Galileo-gestützte Assistenzsysteme für Straßenfahrzeuge in der Praxis erproben. Das ist ein Leuchtturmprojekt, das noch viel Gutes für die Menschen und Wirtschaft in der Region bringen wird.
Und was ist nicht so gut gelungen?
Wir mussten unsere Wirtschaftsförderung neu aufstellen. Das Konzept, mit Immobilienprojekten das Geld zu verdienen, das die klassische Wirtschaftsförderung für ihre Aufgabenerledigung benötigt, ist nicht aufgegangen. Deshalb haben wir diesen Arbeitsbereich rekommunalisiert. Das rührige Team um Anette Reinholz leistet da eine sehr gute Arbeit.
Der Kreishaushalt ist von den Kommunen in der Vergangenheit öfter kritisiert worden. Wie sieht es aktuell aus?
Wir sind als Kreis ein Umlageverband, der zur Erledigung seiner Aufgaben für fast 260.000 Menschen einen erheblichen Teil seiner Mittel von seinen 15 kreisangehörigen Städten und Gemeinden erhält. Erfreulicherweise hat sich die Diskussion versachlicht: Wir werden in den Kommunen endlich nicht mehr als Verursacher ihrer Finanznöte wahrgenommen, weil sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die untere staatliche Ebene strukturell unterfinanziert ist. Deshalb ringen wir mittlerweile Seite an Seite darum, von Land und Bund auskömmliche Mittel zur Erledigung unserer Aufgaben zu bekommen. Darauf haben wir einen berechtigten Anspruch!
Hohe Sozialkosten belasten mit steigender Tendenz auch den Kreis. Wie wollen Sie gegensteuern?
Der Kreis Düren muss im NRW-Vergleich einen außerordentlich großen Anteil seines Haushalts für Sozialkosten aufwenden. Bei den letzten landesweiten Kreisprüfungen hat die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) 2006/07 für uns einen Wert von 104 Euro je Einwohner ermittelt, der NRW-Durchschnittswert lag bei 73 Euro je Einwohner. Diese dramatische Entwicklung hat sich in den Folgejahren fortgesetzt. 2014 betrug der Anteil der Aufwendungen für soziale Leistungen, für Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sowie für die Landschaftsverbandsumlage insgesamt über 340 Millionen Euro. Das entspricht rund 80 Prozent der Gesamtaufwendungen in diesem Jahr! Ein Beispiel: Die Jugendhilfefälle nehmen tendenziell zu, entscheidender ist jedoch der steigende Kostenaufwand je Fall. Er ist binnen weniger Jahre von 17.000 auf rund 22.500 Euro gestiegen. Wie reagiert man darauf? Während man üblicherweise Personal kürzt, um zu sparen, haben wir das Gegenteil getan. Gemeinsam mit der Wirtschaftsberatungsfirma Rödl & Partner haben wir über 40 zusätzliche Stellen geschaffen, um uns schneller und intensiver um die hilfebedürftigen jungen Menschen kümmern zu können.
Sehen Sie hier erste Erfolge?
Unser ungewöhnliches Konzept hat 2014 unsere Erwartungen übertroffen. Wir haben nicht nur den Menschen Gutes getan, sondern auch unserem Etat. Unser Controlling hat gezeigt, dass wir unter dem Strich Kosten gespart haben. Den geplanten Konsolidierungsbeitrag von knapp 230.000 Euro haben wir glatt um eine Million übertroffen.
Ein weiteres Beispiel: Als eine von 18 Modellkommunen im NRW-Präventionsprojekt „Kein Kind zurücklassen“ haben wir bestehende Hilfs- und Unterstützungsangebote eng miteinander vernetzt, um zu verhindern, dass Kinder in den sprichwörtlichen Brunnen fallen. Durch die vorbeugende Förderung von Kindern wird teure Nachsorge vermieden. Was bei unserem Vorreiter Kreuzau so gut angelaufen ist, zieht mittlerweile Kreise. Bei unserer großen kreisweiten Präventionskonferenz Anfang Juni in Nörvenich war regelrechte Aufbruchsstimmung spürbar. Auch bei diesem Projekt profitieren zunächst Menschen und dann die öffentlichen Haushalte.
Wo sehen Sie in den nächsten fünf Jahren die größten Herausforderungen für den Kreis und wo die Chancen?
Angesichts der immer älter werdenden Menschen bekommen Busse und Bahnen einen deutlich höheren Stellenwert. Deshalb strukturieren wir unseren Nahverkehr neu. Die Rurtalbahn hat gezeigt, dass gute Angebote von den Menschen gerne genutzt werden. Gemeinsam mit dem Kreis Euskirchen arbeiten wir daran, die Bördebahn schrittweise wieder zu einem Alltagsverkehrsmittel zu machen. Dank unserer großen Haushaltsbefragung wissen wir nun ja auch, wo und wann künftig Linienbusse fahren müssen und wo flexible Angebote sinnvoller sind. Mit dem Nahverkehrsplan, der zurzeit aufgestellt wird, wird das Busangebot deutlich verbessert, zumal wir es aus einer Hand erbringen lassen wollen.
Gemeinsam mit unserem Nachbarkreis Euskirchen werden wir auch die Breitbandversorgung nochmals deutlich verbessern. Die Vorarbeiten sind abgeschlossen, in Kürze werden wir in die Offensive gehen. Und trotz knapper Ressourcen investieren wir weiterhin kontinuierlich in unsere Straßen.
Das Wichtigste sind aber die Menschen: Als familienfreundlicher Kreis werden wir weiterhin alles daran setzen, unseren Kindern den bestmöglichen Start ins Leben zu bieten. Der stetige Ausbau der Kinderbetreuung und der Umbau der Schullandschaft sind dabei zentrale Bausteine.
Politische Auseinandersetzungen mit den anderen Parteien sind im Kreis …?
zunehmend sachlicher geworden. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung.
Sie sind Dienstherr für rund 1170 Mitarbeiter im Kreishaus. Welche Steuerungsinstrumente nutzen Sie hier als Landrat?
Die Kreisverwaltung Düren versteht sich als moderner, serviceorientierter Arbeitgeber, die für rund 260.000 Menschen vielfältige Dienstleistungen erbringt: Kreis Düren – wir machen das! lautet unsere Devise dabei. Mir ist wichtig, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit sehr gerne erledigen, denn dann wird sie sehr gut erledigt. Deshalb fördern wir bewusst Gesundheit und Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Wahlweise Vertrauensarbeitszeit und eine Kleinkinderbetreuung im Kreishaus tragen zum Beispiel dazu bei, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.
Was ist Ihnen in der Wirtschaftsförderung wichtiger: Bestandspflege oder Neuansiedlung?
Unsere Wirtschaftsförderung hat – trotz kleiner Mannschaft – beides im Blick. Die Basisarbeit wird effektiv und unbürokratisch erledigt. Darüber hinaus ermuntert sie unsere Unternehmen, sich öffentlich zu präsentieren. Die Bürgerinnen und Bürger sollen erkennen, wie vielfältig und erfolgreich unsere mittelständisch geprägten Firmen sind. Dieses Gefühl für die eigene Stärke berechtigt zu dem Selbstbewusstsein, das man für Neuansiedlungen braucht. Trotz eines vergeblichen Versuchs verfolgen wir unsere Containerterminalpläne weiter. Wir sind ein 1 A-Logistikstandort und wollen vom Boom dieser Branche profitieren. Wir brauchen diese neuen Stellen und Gewerbesteuern. Mit unserem geplanten Hotel samt Konferenzzentrum auf dem Gelände der ehemaligen Stadthalle Düren verhält es sich ähnlich: Die Wirtschaft im Kreis Düren ist so stark, dass sie ihre Geschäftspartner selbstbewusst zu sich an die Rur einladen sollte.
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